Wenn vor ein paar Jahren ein Safety-Workshop für Journalist:innen stattgefunden hätte, so hätten dort vermutlich nur Kolleg:innen teilgenommen, die aus fernen Ländern berichten. Doch die Zeiten haben sich geändert. Sehr. Leider. Der Hass und die Angriffe fliegen Medienschaffenden heute auch in Deutschland um die Ohren. Und zwar regelmäßig. In unterschiedlicher Intensität zwar, aber immer häufiger.
Laut „Media Fredom Rapid Response” wurden seit 2021 in Deutschland über 200 Journalist:innen attackiert. Und das sind nur die Fälle, die bekannt wurden. Der Großteil davon körperliche Angriffe, gefolgt von Harrassment. Der Kontext: Eine große Zahl während Demonstrationen.
Erfahrungsaustausch und gemeinsames Lernen
Grund genug, für die European Federation of Journalists einen Workshop in Bonn durchzuführen. In Kooperation mit dem Deutschen Journalisten-Verband. 10 Menschen unterschiedlichster journalistischer Hintergründe kamen für zwei Tage zusammen und lernten viel. Voneinander und von herausragenden Trainern. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an Andrea Roth, die dies möglich gemacht hat.
Erfahrungsberichte von anwesenden Kolleg:innen, die immer wieder die Erfahrung machen, angegriffen, beschimpft und bedroht zu werden. Bedrückende Realität. Nach einer Einführung über “Bedrohungen und Risiken für Journalist:innen” durch Adrien Collin, Project- und Safety Officer der EFJ, gehörte die volle Aufmerksamkeit Peter ter Velde. Er berichtete nicht nur über die holländische Plattform „PersVeilig“, die er in Kooperation mit den Justiz- und Kulturministerien und der Polizei aufgebaut hat. Eine Plattform dieser Art, auf der es um die Sicherheit von Journalist:innen geht, um Tipps, um Berichte, um konkrete Hilfe, die gibt es bisher in Deutschland leider noch nicht. Doch vielleicht kann der Workshop in Bonn dafür sorgen, dass dies bald geschieht.
Gute Vorbereitung als Schlüssel
Peter ter Velde, der viele Jahre als Journalist in Krisengebieten unterwegs war und nun als Security Coordinator und Trainer arbeitet, teilte wertvolle Learnings mit uns. „Vorbereitung ist der Schlüssel“, sagte er und machte uns diverse Dinge bewusst, die schon vor einer möglichen Eskalationssituation dafür sorgen können, dass es gar nicht so weit kommt. Wohin kann ich fliehen, wenn es brenzlig wird, wie verhalten sich die Leute schon vor einer Versammlung, wie sind sie gekleidet, wo positionieren sich Sicherheitskräfte und Polizei? Fragen, die wir, neben der richtigen Kleidung und weiteren Sicherheitsvorkehrungen immer klären sollten. Und zwar, indem wir, wenn möglich, ein wenig vor anderen am Ort sind. Er machte den Unterschied zwischen kalter und heißer Aggression klar, dass es unbedingt Personen geben muss, die die Social Media Kanäle während eines Ereignisses beobachten und, dass immer ein Kontakt bestehen muss, der im Notfall erreichbar ist und Hilfe schicken kann.
Was tun, wenn uns blanker Hass entgegenschlägt?
Er sprach über die drei Phasen, die im Falle einer Krise wichtig sind und unterschiedlicher Handlungen bedürfen – Präventionsphase, Reaktionsphase und Erholungsphase. Neben Theorie gab es jede Menge Praxis. Das Üben verschiedenster Situationen beim Zusammentreffen mit Gruppen aus unterschiedlichsten Bereichen – denn über die Typen von Versammlungen hatten wir auch gesprochen – sorgte sogar dafür, dass einige Mitglieder eines UN-Treffens in einem anderen Raum des Hotels, besorgt nachfragen, was gerade vor sich gehe. Offenbar waren wir ziemlich glaubwürdig. Was tun, wenn jemand einem die Kamera ins Gesicht hält, zu nahe kommt, Emotionen hochkommen oder einem blanke Aggressivität entgegenschlägt? Wir haben jetzt zumindest eine Ahnung davon, doch Gewohnheit ist es noch lange nicht, sondern bedarf Übung.

Dr. Rebecca Whittington
Online Harassment – wie können wir uns schützen?
Der zweite Tag gehörte dem Online-Business. Auch dort sind Bedrohungen und Anfeindungen an der Tagesordnung. Dr. Rebecca Whittington, Expertin für digitale Sicherheit und Sicherheitsexpertin Ela Stapley machten uns fit für die Zukunft.
Welche Arten der Bedrohung gibt es eigentlich digital? Dr. Rebecca Whittington gab uns wertvolle Tipps, wie wir auf Hate Speech, Doxxing, indirekte du direkte Bedrohungen sinnvoll reagieren können. Welche Strukturen können wir schaffen, um uns gegenseitig zu unterstützen, aber auch Unterstützung von den Unternehmen zu erhalten, für die wir arbeiten. Was können wir tun, um die Wahrscheinlichkeit und den Impact von Online Harassment zu minimieren? In kleinen Gruppen bearbeiteten wir unterschiedliche Situationen, brachten eigene Erfahrungen ein und lernten so voneinander, übereinander und für die Zukunft.
Vorkehrungen treffen und Netzwerkpower
Am Ende der zwei Tage zeigte uns Ela Stapley einige wertvolle Schritte für mehr Online Sicherheit, bezogen auf Profile, Passwörter und mehr. Ein Beispieltipp: Sie riet uns, Google Alerts anzulegen mit unseren Namen, damit wir immer darüber wissen, was wer im Internet über uns redet und mit unseren Daten anstellt.
Eines wurde neben vielen anderen Erkenntnissen an diesen zwei Tagen, die intensivst wie im Flug vergingen, klar. Support durch andere und enges Netzwerken sind entscheidende Faktoren, wenn es darum geht, gesund und gut vorbereitet in eine gemeinsame Zukunft zu starten.
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