Wir brauchen Mut. Viel Mut. Das betonte nicht nur Markus Beckedahl in seiner Keynote. Eigentlich zog sich das Thema Mut durch den gesamten Journalistenkongress „Besser Online“.

Mit etwas Mut begann alles. An dieser Stelle sei kurz gesagt, dass ich, wenn ich etwas wirklich für gut halte und es mir in den Kopf setze, dies meist auch mit größeren und kleineren Verrenkungen umsetze. Also: Es startete irgendwann Ende 2021 bei einem Kaffee (ja, ich liebe halt verdammt guten Kaffee). Und dem Vorhaben, nicht so weiterzumachen wie zuvor. In Zeiten, in denen nichts ist wie zuvor. Die durchrütteln, die verzweifeln lassen, aber auch zusammenschweißen. Diesen Gedanken habe ich schon an anderer Stelle erwähnt. Schon wieder Berlin, Köln oder einer andere Großstadt? Ach nö. Lieber mal was Neues ausprobieren. Wohl wissend, dass dies das offene Denken und die Flexibilität mancher arg strapazieren würde. Kurz gesagt: Ich rechnete mit Widerstand. Und ich bekam ihn.Wachstumsschmerzen

Warum Wittenberge? Weil ich dieses liebenswerte Städtchen bei einem Besuch während des Summer of Pioneers kennen- und schätzen gelernt hatte. Direkt an der Elbe, mit dem Rad ins nächste Hofcafé radeln, im Co-Working-Space arbeiten und im Strandkorb an der Elbe chillen oder im grandiosen Spa-Bereich der Alten Ölmühle rumwellnessen. Wer, so fragte ich mich, sollte hier nicht gern für einen Kongress herkommen wollen? Ich sollte viele Antworten auf diese eigentlich von mir rhetorisch gemeinte Frage bekommen.

Zu weit weg, zu klein, zu umständlich, zu teuer, zu anders, zu ungewöhnlich, zu alles irgendwie. Ein Ansporn. Nicht umsonst erzähle ich oft Menschen, dass es zwar anstrengend, aber umso wertvoller ist, an Herausforderungen zu wachsen und Probleme unsere besten Lehrer sind. Failing Forward dazugehört. Auch, wenn es zwischendurch arg wehtut. So auch dieses Mal.

Wohltuende Unterstützung

An anderer Stelle hingegen, habe ich so viel Unterstützung und Kreativität erfahren wie selten. Die Zusammenarbeit mit Lutz Lange, dem Besitzer der Alten Ölmühle, und seinem Sohn Jan, mit der Stadt Wittenberge in Person von Uwe Neumann, Christian Fenske und dem Bürgermeister Dr. Oliver Hermann. Aber auch der Support der Elblandwerker, hier insbesondere Christian Soult, von Katja und Stefan Evertz und Christina Quast haben es erst möglich gemacht, die Idee wirklich in die Tat umzusetzen.

Aber nicht, bevor noch ein paar in den Weg geworfene Hürden in Form von Lamentiererei und falschen Behauptungen über fehlende Hotelzimmer im Netz die Runde machten.

Eine zoomreiche Zeit

Es ist ja so. Das Planen einer Konferenz in ehrenamtlicher Arbeit als Fachausschuss Online mit Unterstützung vor allem von Luciana Aguileira aus der Geschäftsstelle des DJV, aber auch Paul und Philipp aus dem Bundesvorstand und am Veranstaltungstag Erika Hobe. In den letzten Monaten vor der Veranstaltung hat der Fachausschuss jede Woche gezoomt. Der Fachausschuss, das sind Eva Werner, Frank Sonnenberg, Gregor Meyer, Thomas Mrazek, Kilian Haller, Axel Wagner und Peter Jebsen. Danke an euch. Es ist schön, diesen Fachausschuss zu leiten. Aber zoomen allein reicht natürlich nicht. Wir haben Themen überlegt, Referent:innen angefragt, uns über Zusagen gefreut, Absprachen getroffen, Sponsoren angefragt, Werbung gemacht, Absagen kassiert und uns zwischendurch gegenseitig wieder aufgebaut. Meistens.

Am Limit

Und irgendwie verflog die Zeit dann wie im Flug. Zack, war schon der Tag vor der Veranstaltung gekommen. Vom Orga-Team war ich leider die einzige, die schon vormittags vor Ort war, beantwortete Anrufe und diverse Fragen. „Wann können wir denn die Raumbegehung machen?“ Ähm, okay, die Technik in den Räumen war so ziemlich das einzige, mit dem ich eigentlich nicht ganz so viel zu tun haben sollte. Eigentlich. Also machte ich auch noch die Raumbegehung und schmiss gemeinsam mit dem sehr professionellen Ölmühlen-Personal noch einiges um. Hätte ich früher nicht viel mit Veranstaltungen zu tun gehabt, wäre es vermutlich haarig geworden. Aber was sollte ich tun? Ein kleiner Hilferuf in die WhatsApp-Gruppe fand wenig Widerhall. Fakt ist, ich war echt am Limit und habe dies auch deutlich kommuniziert.

Der erste Turm

Am Abend dann fand die Begehung der Katakomben des alten Veritas-Werkes statt. Ein Ort, der den Augen der Öffentlichkeit sonst versperrt bleibt, von dem ich gehört hatte. Ich hatte den Wunsch in einem Gespräch mit der Stadt geäußert. Und zack wurde die Erfüllung möglich gemacht. Im Anschluss spielte die Wittenberger Band „Prignitzfabrik“ sogar noch ein Konzert für uns im Turm. Natürlich erst, nachdem wir einmal übers Dach schlendern durften. Ehrfürchtig die riesigen Lettern des Wortes VERITAS ablichtend. Wahrheit, auch so etwas, was in Zeiten von Fake News immer wichtiger wird und deshalb doppelt gut passte. Ich schleppte mich dorthin. Und es war wunderbar. Sogar Brötchen und Getränke hatte Uwe Neumann noch kurzfristig für uns bereitgestellt. Das entschädigte für meinen Zustand und machte die Zentnerlasten auf meinen Schultern vorübergehend ein paar Kilo leichter.

Tiefschlaf und Dankbarkeitsmomente

Todmüde fiel ich ins Bett. Mit dem Gefühl, dass es am nächsten Tag schon alles irgendwie werden würde. Was wegen diverser unvorhergesehener Aufgaben leider ein wenig hintenrüberfiel war die gründliche Vorbereitung auf meine eigene Rede. Schade.

Es sind die kleinen Momente, die zählen. Als ich am Samstagmorgen jemanden im Frühstücksraum suchte, kam Stefan Voß auf mich zu und fragte, ob alles okay sei und er helfen könnte. Auch Lutz Lange kam auf mich zu, um mir einen guten Kongress zu wünschen. Das waren zwei Gesten, die mir viel bedeutet haben. Danke dafür.

Erleichterung und Präsente

Der große Konferenzraum war bestens vorbereitet. Als kleines Dankeschön gab es für alle Konferenzteilnehmer:innen von der Ölmühle ein kleines Präsent mit hauseigenen Bier und Senf, drapiert auf jedem Stuhl. Das Streaming war dank Katja und Stefan eingerichtet und auch der Techniker war schon da und hatte alles im Griff. Einige kleinere und größere Steine der Erleichterung fielen mir vom Herzen.

Kurz vor Beginn schneite dann prompt noch ein älterer Herr rein, der gern von den Montagsdemos berichten wollte. Er bedauerte sehr, dass wir ihm keine Bühne bieten wollten. Ich weniger.

Tränen, Betroffenheit und viele Fragen

Was soll ich sagen. Es ging an diesem Tag nach der Keynote von Markus Beckedahl weiter  mit Panels und Workshops von und mit fantastischen Kolleg:innen. Keine Sorge, es folgt nun keine Auflistung, nur einige meiner Highlights. Und hier gebe ich zu Bedenken, dass ich kaum dazu gekommen bin, etwas anzuschauen und bitte zu entschuldigen, dass ich nur einige erwähne. Die Tränen von Nalan Sipar über ihren Sieg im StartUp Pitch, betroffenes Schweigen, als Julius Geiler sagte, dass es für ihn gefährlicher sei von Corona-Demos zu berichten als aus dem Libanon. Gebannte Stille, als Katya Goncharova, Masha Shykolay und Steffen Schwarzkopf über die Ukraine sprachen. Weit über die Zeit hinausgehend viele Fragen im Panel zu Nachhaltigkeit mit Aline Pabst und Sascha Pallenberg. Die tolle Idee von Frederik Fischer zum Summer of Journalists. Und noch viel mehr.

Waffeln machen glücklich

Zwischendurch Gespräch mit lokalen Pressevertreter:innen. Kaum Pause zum Atmen. Auch hier so ein Moment, als Stefan Evertz mir zwischendurch eine Waffel in die Hand drückte, im Elbespace gebacken für die Teilnehmenden eines Workshops. Mitgebracht, weil ich vorher gesagt hatte, dass ich es nicht schaffen würde, mit rüberzukommen. Danke.

Und dann war da noch der ziemlich grandiose Reporter Slam mit Jochen Markett, Musik von Simon Wörpel und Johannes Schneider und feinste Slammerei von Nicola Kuhrt, Isolde Ruhdorfer und Sebastian Leber zum Abschluss. Naja fast.


Der Gin des Lebens ist leben

Denn der Abschluss fand woanders statt. Im Strandbar-Turm an der Elbe. Über drei Etagen verteilten sich die Kongressteilnehmer:innen nach dem Event und kamen in den Genuss eines feinen Gin-Tastings. Und ich meine: Eines wirklich feinen Gin-Tastings. Mit drei unterschiedlichen Gin-Tonic-Kreationen – gezaubert vom Barkeeper Manuel. Untermalt von der Musik von Simon und Johannes. Ich habe den Turm um 22.30 Uhr nicht als letzte verlassen. Aber was im Turm passiert, bleibt selbstverständlich im Turm… oder so!

Windmühlen statt Mauern

Und was ist nun mein Fazit? Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war ich – eine Mischung aus happy, zufrieden und ein bisschen stolz. Darüber, dass die Veranstaltung trotz so vieler Hindernisse und kraftraubender Wochen und Monate so gut gelaufen ist. Darüber, dass ich mich von all den Bedenkenträger:innen nicht habe abhalten lassen. Darüber, dass zwar ein paar Menschen weniger dort waren als vor Corona, aber diese 100  intensivst genetzwerkt und wertvolle Gespräche geführt haben. Darüber, dass so viele Menschen so lange geblieben sind. Darüber, dass mich im Nachhinein so viele Menschen kontaktiert haben, um mir zu sagen, wie schön sie es fanden. Darüber, dass die Stadt und die Ölmühle und deren Menschen mit so großer Begeisterung dabei waren. Darüber, dass dieses „Besser Online“ das schönste war, das ich bisher erlebt habe. Ist klar, die Latte für nächstes Jahr liegt ziemlich hoch…

Was ich mir wünsche? Ein paar mehr Menschen, die Windmühlen bauen statt Mauern. Ihr wisst schon, die Veränderung und so.

Mut wird belohnt. Immer.