Es gibt so komische Momente, in denen man sich fragt, wer da eigentlich gerade an irgendwelchen Schräubchen dreht. Augenblicke, die zumindest ein Fragezeichen entstehen lassen. Neulich saß ich am Schreibtisch und habe am digitalCHARM-Konzept gefeilt. Und zwar an genau dem Teil, in dem es um Ablenkungen geht, für die unser Gehirn in Zeiten der Digitalisierung immer anfälliger wird. Auf der Suche nach einer Formulierung schaute ich aus dem Fenster und dann irgendwann im Raum herum. Mein Blick blieb an einem Buch hängen, das ich noch nie gesehen hatte. Zumindest hätte ich das jedem geschworen, der mich vorher danach gefragt hätte. Was für ein Buch? Ein Reiseführer über Bali. Aber nicht irgendeiner, sondern einer, den ich wohl in der ganzen Hektik des letzten Jahres aus der Wohnung meiner verstorbenen Tante mitgenommen hatte. Ein Exemplar aus dem Jahr 1976. Darin steht unter anderem „Der Begriff ‚Tourist‘ ist neu für Bali. Die meisten Einheimischen kennen die Touristen mehr vom Betrachten aus der Ferne, denn als Einzelwesen“! Ganz schön viel passiert in den letzten 40 Jahren, so scheint es. Übrigens hätte ich den Reiseführer sicher mit amüsiertem Interesse vor meinem Bali-Urlaub Anfang des Jahres gelesen, wenn ich denn von seiner Existenz gewusst hätte. Also bewusst gewusst hätte. Denn irgendwie ist dieses Buch ja durch meine Hände in das Regal gelangt.
Es gibt keine Zufälle
Doch damit nicht genug. Denn mitten im Reiseführer stieß ich auf ein altes Foto aus den 70ern. Darauf posiert meine Tante mit einer kleinen Reisegruppe ganz augenscheinlich irgendwo im Fernen Osten – und in sehr witzigen 70er-Jahre-Klamotten! Bali? Nein, in feiner Bleistiftschrift geschrieben, steht dort „Hongkong“. Was passiert hier eigentlich gerade, fragte ich mich. Ich musste schlucken und war für ein paar Minuten zu Tränen gerührt. Mit Hongkong allerdings konnte ich irgendwie so gar nichts anfangen. Bis jetzt. Ich erwischte mich dabei, wie ich fast wie ferngesteuert Minuten später Herrn Google dazu befragte und tatsächlich irgendwann eintippte „Flüge nach Hongkong“. Ich hatte das Gefühl, es müsse einen Grund geben, dass ich dieses Foto gefunden habe. Vielleicht sollte ich tatsächlich mal nach Hongkong reisen? An meinem Konzept habe ich an diesem Abend nicht mehr gearbeitet, allerdings habe ich wieder einmal das Gefühl, damit genau auf der richtigen Spur zu sein. Denn an Zufälle, das wisst ihr ja mittlerweile, glaube ich eh nicht mehr.
Plötzlich erzählen alle von Hongkong
Am nächsten Tag machte ich mich auf den Weg nach Frankenthal, um dort einen Social Media Auftrag auszuführen. Ich lief um eine Halle herum und suchte den Eingang. Es ging mir nicht allein so. Ich kam dort ins Gespräch mit einem ebenfalls „suchenden Herrn“. Wir redeten keine zwei Minuten, da sagt er, dass er gerade aus Hongkong kommt. Er empfahl mir eine kleine Insel vor der Stadt, auf die man leicht mit einer Fähre kommt. Meinen etwas entgeisterten Blick hat er zum Glück nicht mitbekommen. Und so geht es mir seitdem fast einmal die Woche. Immer wieder erzählen mir Menschen – bekannte und unbekannte -, dass sie nach Hongkong fliegen, gerade dort waren oder zumindest demnächst dorthin wollen – und zwar bevor ich irgendetwas über das Foto erzählt habe.
Ich habe verstanden: Ich muss nach Hongkong!
Hinterlasse einen Kommentar